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Folter-Verbot? Anton Schäfer* “Wie ist es, wenn jemand in einem gegen ihn anhängigen Prozess gefoltert
wird und man ihn während der Frage, ob er schuldig sei, martert? Wenn ein
Unschuldiger um eines unwirklichen Verbrechens willen höchst wirkliche Leiden
erdulden muss, nicht weil offenbar ist, dass er das Verbrechen begangen hat,
sondern weil man nicht weiß, dass er es nicht begangen hat? So ist meistens das
Nichtwissen des Richters des Schuldlosen Unglück. Was aber noch unerträglicher,
beklagenswerter und – wenn es möglich wäre – mit Bächen von Tränen zu beweinen
ist: Indem der Richter den Angeschuldigten foltern, eben, damit er nicht, ohne
es zu wissen, einen Schuldlosen hinrichtet, kommt es durch das unselige
Nichtwissen, dass er zuletzt einen schuldlos Gefolterten hinrichtet, den er
gefoltert hat, um ihn nicht schuldlos hinzurichten. Denn wenn der Angeklagte es
für nicht ratsamer gehalten hat, aus diesem Leben zu scheiden, als länger
solche Martern zu ertragen, dann gesteht er etwas, was er gar nicht verbrochen
hat. Hat ihn dann der Richter verurteilt und hinrichten lassen, dann weiß er
doch noch immer nicht, ob er einen Schuldigen oder einen Unschuldigen hingerichtet
hat. Er hat ihn gefoltert, um ihn nicht, ohne es zu wissen, schuldlos hinzurichten,
Darum hat er, um es zu wissen, einen Unschuldigen gefoltert und, ohne es zu
wissen, umgebracht.[1]“ Zwei neuere „Fälle“ Der Fall des 11-jährigen Jakob von Metzler hat im September 2002 die
deutschsprachigen Medien bewegt[2].
Der Student Magnus Gäfgen hatte den Bankiersohn in Frankfurt am Main entführt
und ein hohes Lösegeld gefordert. Er wurde bei der Geldübergabe verhaftet. Der damalige Frankfurter Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner hat dem
Entführer in der Folge während der Einvernahme Gewalt androhen lassen[3],
um das Leben des Kindes zu retten. Unter Druck dieser Drohung gab der Entführer
bekannt, wo sich der Entführte befindet. Dort konnte jedoch nur noch das tote
Kind gefunden werden. Der Polizeivizepräsident von Frankfurt wurde vom Gericht milde bestraft[4].
Das Gericht hat zwar keine Rechtfertigungsgrund darin gesehen, dass durch die
Androhung einer konkreten Gewaltanwendung, das Leben des Kindes gerettet werden
sollte aber die ehrenwerten Absichten des Angeklagten Daschner diesbezüglich
entsprechend stark gewichtet. In Wien wurde der Afrikaner Bakary Jassey (Gambia) von drei österreichischen Polizisten im Dienst am 7.
April 2006 in eine Lagerhalle gebracht, in der sie den Gefangenen
misshandelten. Gemäss den später
eingeholten Gerichtsgutachten erlitt Bakary Jassey durch diese Misshandlungen ua
eine Fraktur von Jochbein, Kiefer und Augenhöhle. Die Verletzungen wurden im
Gutachten als "dem Grade nach schwer" eingestuft. Die Tat haben die
Täter vor Gericht in der Verhandlung am 30. August 2006 gestanden und als Begründung
für die Tat angegeben, dass&xnbsp; Bakary
Jassey von ihnen
misshandelt wurde, weil er erfolgreich seine Abschiebung verhindern konnte. Auf die Frage des
Richters, ob die Polizisten einfach ihren Frust rauslassen wollten, antwortete
der Erstangeklagte mit Ja. Drei der Täter
wurden jeweils zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt[5]
und sind weiterhin im Polizeidienst in Österreich tätig. Der
Menschenrechtsbeirat[6]
der Republik Österreich stellte fest, dass die Umstände des Falles Bakary J. dem Menschenrechtsbeirat geeignet
erscheinen, wesentlich grössere Sorge um die Wahrung der Menschenrechte in der
österreichischen Sicherheitsexekutive auszulösen, als der "Fall
Omofuma"[7], weil es
sich nicht um eine entgleiste Amtshandlung, sondern um geplante, verabredete
und mit Absicht verübte Folter im Sinne des Art. 1 der UN-Antifolterkonvention
handelte.[8] Zwei Fälle, die unterschiedliche Hintergründe haben, innerstaatlich
unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen haben und mE aufzeigen, dass derzeit
Grundwerte der rechtsstaatlichen Gesellschaft in Bewegung sind, die noch vor
wenigen Jahren als unverrückbar galten[9]. Die Fragen, die sich aus diesen und anderen Fällen ergeben sind
vielfältig. Einige sollen hier aus rechtswissenschaftlicher Sicht problematisiert
werden. Diese lauten: 1.)
ist es zulässig, das
absolute Folterverbot zu umgehen, wenn dadurch das Leben eines oder mehrerer Menschen
gerettet werden kann (so genannte Rettungsfolter). 2.)
Falls dies bejaht wird,
wer soll diese Umgehung wann und wo genehmigen? 3.)
Welche Massnahmen sind
notwendig um Tätern in Uniform von der eigenwilligen Umgehung des absoluten
Folterverbots abzuhalten bzw nimmt der Rechtsstaat bzw die Gesellschaft dadurch
Schaden, wenn solche Praktiken staatlich angeordnet oder gebilligt oder unzureichend
sanktioniert werden? Definition des Folter-Verbots Das Folterverbot ergibt sich für die liechtensteinische Rechtsordnung,
wie für die meisten Rechtsordnungen europäischer Staaten, aus innerstaatlichen
Gesetzen und völkerrechtlichen Verpflichtungen. Zuerst ist jedoch zu definieren, was Folter überhaupt ist. Das
internationale Übereinkommen über das Verbot der Folter[10],
Art 1, definiert Folter als: „jede
Handlung, durch die einer Person vorsätzlich grosse körperliche oder seelische
Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem
Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine
tatsächlich oder mutmasslich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu
bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus
einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn
diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes
oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung
oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht
werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich
aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden
sind.“ Gemäss dieser Definition sind die Handlungen, die im Gefängnis von Abu
Ghraib von Angehörigen der US-Streitkräfte bzw deren Bevollmächtigten
angewendet wurden, eindeutig verbotene Folterungen und keine „legitimen
Verhörtechniken“[11]. Dabei ist nicht nur die Folter nach dieser Definition untersagt, sondern
nach Art 16 des oben zitierten Übereinkommens verpflichtet sich der
Vertragsstaat auch: in jedem seiner
Hoheitsgewalt unterstehenden Gebiet andere Handlungen zu verhindern, die eine
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe darstellen,
ohne der Folter im Sinne des Art. 1 gleichzukommen, wenn diese Handlungen von
einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher
Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren
ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis begangen werden. Die in
den Art. 10, 11, 12 und 13 aufgeführten Verpflichtungen bezüglich der Folter
gelten auch entsprechend für andere Formen grausamer, unmenschlicher oder
erniedrigender Behandlung oder Strafe.“ Der Folterbegriff ist also sehr differenziert aber auch breit angelegt
und bedarf im konkreten Anwendungsfall weiterer Auslegung und Konkretisierung.
Insbesondere allgemein gehaltene Begriffe, wie zB „seelische Schmerzen oder
Leiden“ oder „einschüchtern“ etc müssen ausgefüllt und konkretisiert werden. Kurz zusammengefasst und vereinfachend ist Folter somit die Zufügung von
Schmerzen durch staatliche oder von ihnen beauftragte Personen, sofern für die
Handlung keine grundrechts- und menschenrechtskonforme gesetzliche Grundlage
besteht. Absolutes Folter-Verbot In weiteren völkerrechtlichen Übereinkommen hat sich Liechtenstein
verpflichtet, ein absolutes Folterverbot zu garantieren, wie dies zB in Art 3
der EMRK[12]
unzweifelhaft und ohne Ausnahme angeordnet wird: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe
oder Behandlung unterworfen werden.“[13] Art. 7 IPbpR[14]
normiert: „Niemand darf der Folter oder
grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
unterworfen werden. Insbesondere darf niemand ohne seine freiwillige Zustimmung[15]
medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden.“ Weitere mehr oder weniger detaillierte Bestimmungen finden sich zB auch
im „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“[16],
Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs[17]
und im Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen[18]
samt Zusatzprotokoll[19]. Mit dem Europäischen Folterübereinkommen[20],
das nunmehr auch durch das Zusatzprotokoll zur UN-Anti-Folter-Konvention
ergänzt wird[21], wurde
zudem ein weiterer Präventionsmechanismus installiert. In der Liechtensteinischen Verfassung[22]
ist ein absolutes Folterverbot in Art 10 Abs. 2 iVm Notverordnungen normiert.
Danach kann das absolute Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung
auch nicht durch Notverordnung aufgehoben oder eingeschränkt werden. Dies entspricht den völkerrechtlichen Verpflichtungen, die Liechtenstein
eingegangen ist und findet sich in dieser Klarheit leider nicht in vielen Verfassungen
Europas.[23] Ein absolutes Folter-Verbot bedeutet, dass der Staat jegliche Art von
Folter in seinem Hoheitsgebiet bzw den seiner Hoheitsgewalt unterstehenden
Gebieten untersagt und auch jede aus einer Überschreitung dieses Verbots
resultierende Erkenntnis nicht als Beweismittel vor Gericht oder Verwaltungsbehörden
zulässt. Somit auch keine gesetzlichen Regelungen schaffen darf, um die Folter
in irgendeiner Form, auch nur temporär, zu legitimieren oder zu dulden. Konsequenz für das Strafverfahren Im Strafverfahren ist es somit den staatlichen Behörden als auch den von
diesen Beauftragten untersagt (vgl. § 151 StPO) einem Beschuldigten zur
Erlangung einer Aussage, insbesondere eines Geständnisses, körperliche oder
seelische Gewalt anzudrohen oder auszuüben oder auch nur bewusst irreführende
Mitteilungen zu machen[24]. Werden Beweismittel dadurch erlangt, so sind diese im gerichtlichen
Verfahren nicht verwertbar (absolute Nichtigkeit nach § 220 Z 6 und 7 StPO[25]
sowie geboten nach Art 15 Anti-Folter-Konvention[26]).
Wo die Grenze zwischen „harten“ Verhörmethoden und der Folter bzw
unmenschlichen Behandlung verläuft, ist ungeklärt. Jedenfalls als unzulässig
sind Verhörmethoden einzustufen, bei denen der Beschuldigte durch Zermürbungstaktiken
„weich“ gemacht werden soll (zB durch überlange Verhöre, Entzug des Essens oder
Trinkens, Drohung mit U-Haft, Verbot die Toilette zu&xnbsp; benutzen, zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln[27]
etc). Dies hat aber wesentliche Auswirkungen, da die Verwertung von Beweisen
aus anderen Verhörmethoden, die keine Folter oder unmenschliche Behandlung
sind, vom Beweisverwertungsverbot nicht betroffen wird. Das absolute Folterverbot hat aber auch die Konsequenz für den Staat,
das er dieses Verbot auch wirksam sanktionieren und daraus entstandene Schäden
wiedergutmachen muss, wie dies Art 4 und 14 der Anti-Folter-Konvention
vorsehen. Dies ist gemäss § 312 StGB in Liechtenstein mE gegeben („Ein Beamter, der einem Gefangenen oder
einem sonst auf behördliche Anordnung Verwahrten, der seiner Gewalt unterworfen
ist oder zu dem er dienstlich Zugang hat, körperliche oder seelische Qualen
zufügt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen“.) bzw die
Wiedergutmachung mit dem Amtshaftungsgesetz[28]
und der Polizeidienstverordnung[29]
gegeben. Entwicklung des Folterverbots[30] Die Folter wurde in der Zeit vor der Aufklärung von der herrschenden
Macht und auch der Exekutive und Judikative als notwendiges Instrument zur
Wahrheitsfindung angesehen auf dass man nicht verzichten könne[31].
Selbst die Kirche drohte, anlässlich der Einsetzung von „Inquisitoren“ seit
1231, den Abweichlern vom rechten Glauben die Enteignung, Todesstrafe und auch
die Folter zur Wahrheitsfindung an[32]. Dabei hatte bereits Marcus Tullius Cicero[33]
lange zuvor festgehalten: „Man droht uns, man wolle unsere Sklaven verhören
und foltern lassen. Dabei brauchten wir eigentlich keine Gefahr fürchten. Aber
dort auf der Folter regiert der Schmerz, beeinflusst jeden an Leib und Seele,
dort herrscht der Untersuchungsrichter, da beugt der nackte Trieb den Willen,
verdirbt die Hoffnung den Charakter und macht die Furcht zum Schwächling,
sodass unter soviel Angst und Not kein Raum mehr für die Wahrheit ist…“. In der „Peinlichen Gerichtsordnung“ (CCC) von 1532[34],
die in Liechtenstein, der Schweiz und Österreich übernommen wurde, wurde zwar
zwischen Mord und Totschlag und versuchter Tat sowie Notwehr unterschieden. Es
wurden Reinigungseide, Gottesurteile[35]
und andere Aberglauben[36]
sowie Eideshelfer verboten. Dennoch war ein inquisitorisches Verfahren (Offizialprinzip)
mit festen Beweisregeln, bei dem der Richter gleichzeitig Untersuchungsrichter,
Staatsanwalt und erkennender Richter war, vorgesehen und die Folter zur
Wahrheitsfindung (Geständnis) ausdrücklich zugelassen, beschrieben und
reglementiert. Auch waren in der CCC Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts
grundsätzlich nicht vorgesehen. Die CCC verlor erst mit dem Ende der Heilig
Römischen Reichs Deutscher Nation 1806 die Verbindlichkeit als Reichsrecht (in
Liechtenstein erst 1812[37]). Bekannte juristische Gelehrte wandten sich gegen die Folter. So zB
Samuel Stryk (*22.11.1640-†23.1.1710) und insbesondere der Jurist und Philosoph
Christian Thomasius (*1.1.1655-†23.9.1728) mit seiner Schrift: „De Tortura
ex foris Christianorum proscribenda“ (1705) sowie Joseph von Sonnenfels
(*1732 - †25.4.1817) in „Grundsätze der Polizeiwissenschaften“ (1765)
bzw „Grundsätze der Handlungswissenschaften“ (1769). Der bekannte italienische Strafrechtsgelehrte Beccaria Cesare
(*15.03.1738 - †28.11.1794) und auch Montesquieu (*18.1.1689 -
†10.2.1755) hatten dabei mE einen
ganz wesentlichen Einfluss für die weitere Entwicklung bis zur Abschaffung ua
der Folter in Mitteleuropa. In den österreichischen Ländern der Monarchie wurde die Folter (Tortur)
durch die Resolution (Patent) der Kaiserin Maria Theresia vom 2. Januar 1776
(nicht endgültig) aufgehoben. Unter Kaiser Joseph II. wurde zudem am 9. März
1781 durch eine geheime Allerhöchste Entschliessung den Gerichten befohlen, in
Hinkunft die in den Gesetzen vorgesehene Todesstrafe zwar den Delinquenten zu
verkünden, aber nicht zu vollziehen. Mit der geheimen Allerhöchsten
Entschliessung vom 22.8.1783 wurde auch diese Ankündigung an die Delinquenten
abgeschafft.[38] Mit der
„Allgemeinen Kriminalgerichtsordnung“ und „Vorschriften über
das Kriminalverfahren“[39] ging
auch ein umfassendes Verbot der Folter zur Wahrheitsfindung einher. Die Abschaffung der Folter vollzog sich jedoch nicht konsequent und
einheitlich bzw endgültig in Europa. So wurde in Bayern 1751 die Kodifikation
des bayrischen Strafgesetzbuches „Codex Juris Bavarici Criminalis“ (CC)[40]
durch Aloysius von Kreittmayr (*14.12.1705-†27.10.1790) abgeschlossen und darin
die Folter zur Wahrheitsfindung noch ausdrücklich gebilligt, und auch
Straftatbestände über Hexenverfolgung und Gotteslästerung ua mit grausamen
Strafen verbunden, vorgesehen. Erst Anselm von Feuerbach
(*14.11.1775-†29.3.1833), der Begründer der Abschreckungstheorie, des
Strafzwecks und der Kriminalpsychologie, konnte 1806 die Abschaffung der Folter
in Bayern erreichen, nachdem Friedrich II. bereits 1754 für Preussen ein
(geheimes) Folterverbot erlassen hatte. Die Marktgrafschaft Baden war der
letzte Staat im Deutschen Bund, der 1831 ein Folterverbot normierte[41]. In „Practica nova Imperalis Saxonica rerum criminalium“[42]
(1649) von Benedikt Carpzov (*27.5.1595-†30 oder 31.8.1666) zeigte sich aber
auch eine gewichtige Stimme als Verfechter der Hexenprozesse, Inquisition,
Folter und strenge Strafen, insbesondere auch der Todesstrafe. Teilweise bestand die Abschaffung der Folter auch nur auf dem Papier,
wie zB mit der „Instruktion“ in 526 Artikeln von Katharina II., der Grossen
(*2.5.1729 - †17.11.1796). Darin wurde in Anlehnung an Montesquieu und Beccaria
zwar die Gleichheit vor dem Gesetz, Abschaffung der Folter und unmenschlicher
Strafen vorgesehen und diese Institution wurde in ganz Europa als besonders
fortschrittlich betrachtet, sie blieb in Russland selbst allerdings reine Theorie. In der Schweiz wurde die Folter im Zuge der Einflüsse der französischen
Revolution und Besetzung durch Frankreich bzw der Staatsverfassung vom 12.
April 1798 (Helvetische Republik) und der Übernahme eines an das französische
Recht angelehnten code penale erstmals (nicht allgemein und endgültig) abgeschafft,
1803 jedoch in einigen Kantonen wieder eingeführt. Erst die Bundesverfassung
von 1874 verbot in Art 65 II die körperliche Strafe, worunter auch idF die
Folter subsumiert wurde. Inwieweit die Gedanken der Aufklärung und hier insbesondere die Verbote
bzw Einschränkungen hinsichtlich der staatlichen Folter und der Leibstrafen zur
Wahrheitsfindung im Prozess zur Zeit Fürst Franz Josef I.[43]
bzw Alois I.[44] auch in Liechtenstein
angewandt wurden ist noch nicht gesichert nachweisbar bzw untersucht[45].
Ähnliche Entwicklungen zum Folterverbot wie in Österreich waren ja in
Preussen (um 1758) und Sachsen (um 1760/70) und natürlich in Frankreich ab
(1734) 1790 zu sehen und es ist mE sehr wahrscheinlich, dass dieses
aufklärerische Gedankengut auch in Liechtenstein zu einem gewissen Masse bekannt
war und Vertreter fand[46]. Nachdem der Landesherr von Liechtenstein in Wien residierte und die
Gedanken von Joseph von Sonnenfels aus dieser Zeit zum Verbot der Folter, die
er auch an der Universität Wien öffentlich vertrat, ua auch vom Tiroler Kanzler
Hormayer unterstützt wurde, wäre es möglich, dass diese Ansichten über die
Wirkung von Folter und Leibstrafen bzw der Todesstrafe[47]
ua auch in Liechtenstein umgesetzt wurden, ohne dass hierzu ein gesetzliches
Gebot bzw Verbot erlassen wurde. Ein Indiz hierfür kann mE sein, dass 1785 in Liechtenstein letztmalig
eine Hinrichtung stattfand[48]
und auch der Landvogt Joseph Schuppeler, der Nachfolger von Xaver Menzinger,
dürfte ganz im Sinne des Fürsten gegen die Folter eingestellt gewesen sein[49].
Die Mitgliedschaft Liechtensteins im Rheinbund und die Nähe zum „französisch-napoleonischen
Gedankengut“[50] sind
weitere denkbare Einflussmöglichkeiten. Dies hatte aber sehr wahrscheinlich auch einen Zusammenhang mit dem
„Allgemeinen Gesetzbuch über Verbrechen und deren Bestrafung“ vom 13. Januar
1787, welches die Constitutio Criminalis Theresiana von 1768 in Österreich
ersetzte und in der zB die Todesstrafe für gewöhnliche Verbrechen (bis 1792[51]/1803[52])
abgeschafft und durch Zwangsarbeit ersetzt wurde[53].
Das restaurative österreichische „Strafgesetz über
Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen“ wurde durch die fürstliche
Verordnung vom 18.2.1812 auch in Liechtenstein in Kraft gesetzt und galt bis
1852[54]. Diskussionsstand Staatliche Folter ist in vielen Ländern der Erde, man geht von ca. der
Hälfte der Staaten aus, immer noch geduldet oder wird offen von der Exekutive
oder Gerichten angewandt[55]. Dies, obwohl bereits 1948 in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte der UNO, die Folter als völkerrechtlich unzulässig angesehen wurde
und sich diese Rechtsmeinung inzwischen wohl als allgemeiner Rechtsgrundsatz
verdichtet hat und in den verschiedensten Konventionen und Übereinkommen
aufgenommen wurde. 2005 wurde zusätzlich anlässlich der Reform der UNO die
UN-Menschenrechtskommission in einen, der UN-Generalversammlung direkt
unterstehenden, Menschenrechtsrat umgewandelt, der am 19. Juni 2006 seine
Arbeit aufnahm[56] und die
Regelverstösse der Mitgliedstaaten zukünftig wohl verstärkt aufzeigen wird. Auch in den westlichen, demokratischen Gesellschaften findet zunehmend
eine Diskussion über die absolute Wirkung des Folterverbots statt[57]
und findet auch Resonanz in der Wissenschaft. Die Reaktion auf das rechtswidrige Verhalten des Frankfurter
Polizeivizepräsidenten in der Öffentlichkeit, insbesondere den Medien (zB in
Leserbriefen) und der Politik aber auch Justiz, zeigt, dass diese Relativierung
des Verbots durchaus von einer breiteren Bevölkerungsschicht getragen wird. Auch in der rechtswissenschaftlichen Diskussion hat diese Änderung einige
Anhänger bzw Verfechter gefunden[58].
Insbesondere nach den terroristischen Bedrohungen seit dem 11. September 2001
und den Anschlägen in Madrid (2004) und London (2005). Befürworter der Aufhebung des absoluten Folterverbots bringen dabei ua
die Notwendigkeit aufgrund der sicherheitspolitische Lage (vor allem
Terrorismusgefahr) als Rechtfertigungsgrund dafür vor. Sie argumentieren ua
damit, dass in bestimmten, genau bezeichneten Notfällen, die Folterung von
Menschen zugelassen werden soll, wenn eine unmittelbare Bedrohung bevorsteht
und der Schutz des Lebens von andern Personen nicht auf andere Art
gewährleistet werden kann (Rettungsfolter)[59]+[60]. Es soll also ein Verhalten, wie es der Frankfurter Polizeivizepräsident
aus persönlichen Gründen aufgrund seiner eigenen Einschätzung der Lage, nach
seinen eigenen moralischen Wertvorstellungen und auf eigene Verantwortung
gesetzt hat, legalisiert werden. Der Staat als Folterer? Dabei stellt sich als Grundsatzfrage, inwieweit der Staat ieS als
einziger demokratisch legitimierter Garant der Freiheit, der Sicherheit und des
Rechts im Gemeinwesen zu Mitteln greifen kann oder darf, welche die Integrität
des Individuums tief greifend beeinträchtigen und auch nachhaltig schädigen
können. Die Abschaffung von Folter und auch der Todesstrafe als Mittel und Folge
der staatlichen Strafverfolgung hat, wie oben skizziert, in Mitteleuropa seit
der Zeit der Aufklärung langsam um sich gegriffen und durch die verschiedenen
Menschenrechtserklärungen und Konventionen bzw andere völkerrechtliche Verträge
sich seit dem 2. Weltkrieg zum absoluten Verbot verdichtet[61].
Es ist also im Verhältnis zur europäischen (nationalen)
Strafrechtsgeschichte relativ „junges“ absolutes Verbot. Dies hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Entwicklung und
Verdichtung der Staatlichkeit, des damit einhergehenden Verbots der Selbsthilfe
und der staatlich zu gewährleistenden Freiheit und Schutz der Bürger in der
Neuzeit. Das allgemeine Gewaltverbot[62]
zwischen den Normunterworfenen im Gemeinwesen ist inzwischen eine solche
Selbstverständlichkeit und Voraussetzung der Staatlichkeit, dass es in den
Verfassungen der Staaten aber auch der wissenschaftlichen Lehre selten
Erwähnung findet[63], während
die Reglementierung der Gewalt- und Machtausübung durch staatliche Organe
gegenüber den Normunterworfenen immer breitere und vertiefende Ausprägungen
durch die Strafgesetzgebung und den Grundrechtsschutz erfährt. Im Folgenden soll als Gedankenspiel vorausgesetzt werden, dass sich ein
funktionierender demokratischer Rechtsstaat vom absoluten Folterverbot abwendet
und ein relatives Folterverbot einführt um die (angeblich) nicht anders
beherrschbaren (terroristischen) Gefahren wirksam und rasch bekämpfen zu
können. Dabei soll die Problematik der völkerrechtlichen Verstösse die sich
daraus ergeben nicht vertieft, sondern nur auf Basis allgemeiner Regelungen des
nationalen Rechts Argumente und Gedanken aufgezeigt werden. Die Problematiken,
welche entstehen, wenn der rechtstaatliche Grundsatz, dass niemand gegen sich
selbst im Strafverfahren Zeugnis ablegen muss, aufgegeben wird, werden
ebenfalls nicht vertieft. Der Rechtsstaat
ist nach der hier verwendeten Definition gekennzeichnet durch die weiterbestehende
Bindung des Staates an die gesamte nationale, supranationale und internationale
Rechtsordnung(en) und in dem die Ausübung der Staatsgewalt organisatorisch
geregelt sowie rechtlich garantiert ist und auch effektiv kontrolliert werden
kann. Bei einer Zulassung der Folter als Instrument für die Wahrheitsfindung
(sic!) stellen sich daher ua die Fragen, wer, wann, wo und in welcher Form
diesen „Einsatz“ genehmigt, ausführt und vor allem kontrolliert und sanktioniert,
damit der Staat, zumindest hinsichtlich der Rechtsschutzgewähr, weiterhin als
Rechtsstaat angesehen werden kann. Unter der Prämisse des „ticking-bomb-Szenarios“ - dass die Folter nur
als letztes Mittel zur Abwendung einer unmittelbaren und konkreten Gefahr für
andere Menschen angewendet werden soll (Rettungsfolter) - ergeben sich
bestimmte Rahmenbedingungen als Mindestkriterien für die Zulassung der Folter:
I.
Der Einsatz dieses
Instruments muss schnell möglich sein, es dürfen also keine langen Verfahrenswege
oder Rechtsmittel diesen Einsatz behindern.
II.
Der Kenntnisstand der
Person, die den Einsatz der Folter genehmigt, muss so ausreichend sein, dass
diese Person die Notwendigkeit des Einsatzes klar und unzweifelhaft erkennen
kann um die Abwägung zwischen den Rechtschutzgütern, der persönlichen
Integrität des zu Folternden und dem Nutzen für die Gesellschaft und den Staat (Gefahrenabwehr,
Güterabwägung etc), bewerkstelligen zu können.
III.
Der Einsatz der Folter
muss dort erfolgen, wo sich die Person des zu Folternden befindet oder wo der
Ort des Schadenseintrittes wahrscheinlich sein wird, so dass nicht durch einen
langen Transportweg unnötig Zeit verloren wird. IV. Die Foltermethode[64]
muss so gewählt werden, dass sie den grösstmöglichsten Nutzen bringt, ohne den
zu Folternden unnötig körperlich oder seelisch zu schaden. Die Foltermethode
muss nach den oben definierten Kriterien schnelle Erfolge bringen, also
„effizient“ sein, d.h. diese Methode muss jedenfalls eine „Erfolgsgarantie“,
dies ist ein der Wahrheit entsprechendes und verwertbares Geständnis, haben.
V.
Die Folterung selbst
muss durch Personen erfolgen, die ausreichende Kenntnis bezüglich der Funktion
des menschlichen Organismus besitzen, so dass nicht durch eine überschiessende
Anwendung der Folter der zu Folternde an der Aussage verhindert wird oder gar
verstirbt. Dafür ist es auch notwendig, dass der zu Folternde auf seine körperliche
und geistige Gesundheit zuvor fachgerecht untersucht wird um festzustellen,
welchen Grad an Folter er zu ertragen in der Lage ist und ab welchem Zeitpunkt
die Folter somit nutzlos wird, weil der zu Folternde aufgrund körperlicher oder
seelischer Schmerzen oder Überdosierung eines Medikaments keine Aussage mehr
tätigen kann bzw die Aussage nicht mehr verwertbar ist. VI. Die Folterung muss während der Tathandlung der
Folterorgane weitgehend der öffentlichen Kontrolle unterliegen und die
angewendeten Pressionsmittel sichtbar werden lassen, damit die „Ergebnisse“ der
Folterung nicht als Fälschungen oder Suggestion der Exekutivorgane angezweifelt
werden können und sichtbar wird, dass die Ergebnisse der Wahrheit
(weitestgehend) entsprechen. VII.
Da eine Vorabkontrolle
und Rechtsmittel dem Zweck der Folter, nämlich durch rasche Befragung
(Geständnis) des Tatverdächtigen durch körperliche und/oder seelische
Zwangsmittel, entgegenstehen, muss zumindest eine nachträgliche Kontrolle
gewährleistet sein, damit der Rechtsstaat formell seine Funktion weiterhin erfüllt. Diese nachträgliche
Kontrolle kann vernünftigerweise wohl nur durch unabhängige, weisungsfreie Gerichte
(samt Instanzenzug) erfüllt werden, die im Rahmen eines Verfahrens die
Notwendigkeit, Angemessenheit und vor allem den „Erfolg“ (Verhältnismässigkeit)
der Massnahme beurteilen müssen und die von der ausführenden Exekutive
unabhängig und weisungsfrei sind. Die grösste rechtsstaatliche Schwierigkeit wird sich daraus ergeben, wer
dazu berufen wird, die Folter anzuordnen. Die Anordnung kann nicht durch eine
Person der Exekutive erfolgen, da nicht gewährleistet werden kann, dass die
notwendige Unabhängigkeit vorhanden ist. Bezüglich des Inquisitionsverfahrens
hat dies Christian Bertel prägnant formuliert: „Wer sich längere Zeit bemüht
hat, einen Verdächtigen zu finden, und ihn zu überführen, wird ihn nicht gerne
freisprechen, weil er dann sich und anderen damit eingestehen müsste, dass
seine Arbeit vergeblich war.“[65]
Diese Erkenntnis kann mE auf das Verhältnis zwischen der Anordnung von Folter
und der Ermittlungsarbeit der Exekutive, welche immer unter erheblichem
zeitlichem und gesellschaftlichem (medialem) Druck stattfindet, übernommen
werden. Ebenso scheiden damit die Justiz und die Staatsanwaltschaft aus. Die Regierung
und Staatsverwaltung ist aufgrund des personellen Naheverhältnisses zur
Exekutive mE hierzu auch nicht geeignet. Somit kann nur noch die Gesetzgebung,
das Staatsoberhaupt oder das Volk (Referendum) diesbezüglich in Frage kommen.
Ein Referendum und auch der „normale“ Gesetzgebungsprozess scheiden schon wegen
der engen zeitlichen Vorgaben aus, das Staatsoberhaupt mE wegen seiner
moralischen Vorbildfunktion. Es kann somit eine solche Entscheidung daher nur von einer eigens
eingerichteten Kommission oder von einer beliehenen Einzelperson gefällt
werden, welche jedoch neben den oben genannten Staatsgewalten (Legislative,
Jurisdiktion, Exekutive) eine neue Staatsfunktion darstellt und eine
Verfassungsänderung erfordert. Diese Einrichtung muss wiederum, wegen der
Möglichkeit der Fällung einer Fehlentscheidung und zur Kontrolle der
Machtbefugnisse, rechtlich wie ein Verwaltungsorgan verantwortlich sein. Weitere offene Fragen Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie soll eine Person die
gefoltert wurde, Rechtsschutz und Entschädigung erlangen, wenn sich im
Nachhinein herausstellt, dass die Massnahmen unverhältnismässig oder gar rechtswidrig
waren? Oder wenn eine ungeeignete (nichteffiziente) Foltermethode angeordnet
oder angewandt wurde? Soll ein staatlicher „Gefoltertenopferfond“ errichtet werden, aus dem
die Opfer ungerechtfertigter staatlicher Folter entschädigt werden? Welche
staatliche Stelle entscheidet über diese Ansprüche? Wie soll die Verantwortung für die Personen aussehen, welche die Folter
angeordnet haben und ist die „Schuld“ der Personen, die die unverhältnismässige
oder ungerechtfertigte Folter auf Anweisung ausgeführt haben höher, als die
Verantwortlichkeit (Schuldfrage) derer, die diese angeordnet haben etc? Soll es für die Personen, die Folter ausführen bzw anordnen ein Recht
der Verweigerung der Tathandlung aus Gewissensgründen geben? Ganz besonders interessant wird sich aus rechtswissenschaftlicher Sicht
die Haftungsfrage stellen, wenn sich im nachhinein herausstellt, dass der
Gefolterte unschuldig war, und die Person nur aufgrund eines Ermittlungsfehlers
der Polizei oder Staatsanwaltschaft oder des Gerichts verdächtigt und auch
gefoltert wurde. Ähnliche Erfahrungen mit der Staatshaftung sind vor allem in den USA
bereits gemacht worden, mit Personen, die jahrelang in der „Todeszelle“
einsassen und deren Unschuld sich erst später, oft nach Jahrzehnten, herausstellte,
zB weil es zu Ermittlungsfehlern oder Beweisfälschungen gekommen ist. Die Frage, nach welchen Kriterien der Schmerz des Gefolterten bemessen
werden soll, somit der Schadenersatzanspruch, Rentenanspruch,
Invaliditätsanspruch etc, wird auch zu interessanten Ausführungen Anlass geben
im Hinblick auf die Frage, was denn die menschliche Gesundheit und
Unversehrtheit im Verhältnis zur öffentlichen Sicherheit und Terrorismusabwehr
wert ist.[66] Ergebnis Unter Berücksichtung dieser oben angeführten, nicht vollständig
aufgezählten Rahmenbedingungen und Erwägungen ergibt sich bereits, dass die
Anwendung der staatlichen Folter im „ticking-bomb-Szenario“, bedingt durch die
einzuhaltenden Mindestkriterien, sehr formalistisch gehandhabt werden muss und
umfangreicher Abwägungen bedarf. Somit, dass in den meisten Fällen der unmittelbaren und konkreten Gefahr
aus Zeitgründen (ticking bomb) die Folter gar nicht eingesetzt werden kann. Solche Mindestkriterien sind jedoch einzuhalten, will der Staat nicht
die Geltung des Rechts, somit die eigene Rechtstaatlichkeit, völlig ausser
Kraft setzen bzw Folterung nicht zur Willkür verkommen lassen. Alleine die medizinische Untersuchung der Person des zu Folternden um
festzustellen, welchen Grad an Folterung notwendig und möglich ist um eine
geeignete Aussage zu erlangen und die „tickende Bombe“ schnell gefunden werden
kann, benötigt in den meisten Fällen wohl zu viel Zeit. Ebenso die Feststellung, welcher Grad an Folterung den notwendige Nutzen
im Verhältnis zum maximal zulässigen Beeinträchtigung der Person bringt und
zulässig ist bzw wie belastbar der zu Folternde ist, damit überhaupt noch eine
verwertbare Aussage erreicht werden kann. Hinzu kommt auch, dass die entsprechenden „Fachkräfte“, die eine
Folterung von staatlicher Seite durchführen können und dürfen, wohl nicht immer
vor Ort vorhanden sind und somit mit entsprechendem Zeitaufwand erst an den
Folterungsort gebracht werden müssen. Selbst wenn alle diese Punkte zugunsten des Einsatzes der Folter in
einem bestimmten Fall rasch gelöst werden können, sind daneben vor allem auch
die moralischen Aspekte, die auch zu berücksichtigen sind. Bereits im Mittelalter und vor allem in der Neuzeit (Aufklärung) wurde
festgestellt, dass die Anwendung von staatlicher Zwangsgewalt in Form von
körperlichen Strafen wie Folterungen, Leibstrafen, Zwangsstrafen, öffentlich
vollzogenen Todesstrafen etc zu einer Verrohung der handelnden Personen und in
der Folge der gesamten Gesellschaft führten[67]
und die Staatsgewalt nachhaltig beeinträchtigte. Eine Verrohung, die sich auch in der Gesellschaft in allen Ebenen
negativ auswirkt und der Forderung der Befürworter nach Stärkung des
Rechtssystems und mehr Sicherheit durch die Anwendung der Folter mittel- und
langfristig zuwiderläuft. Der Staat als Folterer bzw dessen Beauftragte verlieren zudem durch die
Anwendung der Folter, auch wenn diese angeblich zu einem „guten Zweck“ erfolgt,&xnbsp; die Glaubwürdigkeit als rechtstaatliche
Garanten der Stabilität und Kontinuität in der Gemeinschaft. Durch die mehr
oder weniger freie Anwendung körperlicher Gewalt durch den Staat zeigt sich die
politische Stabilität und Stärke einer Gemeinschaft. Der starke Staat, das
stabile Gemeinwesen, hat es nicht nötig durch die Anwendung physischer Gewalt
seine Überlebensfähigkeit zu demonstrieren und die Staatsgewalt durchzusetzen.
Deswegen finden sich gewaltbereite Exekutivkräfte idR auch in den instabilen,
schwachen Staatsgebilden, Diktaturen und „failing States“. Dass auch das bestehende System der Grund-, Bürger- und Freiheitsrechte
durch die Einführung der Folter in einem Rechtsstaat nicht mehr aufrecht
erhalten werden kann, ist eine logische Ableitung, denn in einer Gesellschaft,
in der alle Normunterworfenen als frei, gleich und als einzigartige Individuen
betrachtet werden, darf grundsätzlich weder jemand vom Staat gezielt getötet
noch geopfert bzw gefoltert werden. Es zeigt sich somit, dass der Einsatz der Folter in einer modernen
rechtsstaatlichen Gesellschaft zwar schnell gefordert werden kann aber
erhebliche Nachteile hat und in der Praxis auf (fast) unüberwindliche
Hindernisse stösst. Persona non lege? Dass der Einsatz von staatlicher Folter zur Wahrheitsfindung mit der
Grundidee des Rechtstaates nicht vereinbar ist, bedarf mE daher keiner weiteren
und vertiefenden Erläuterung, solange sich der Staat als Garant der Sicherheit,
Hüter der Freiheit und Schutz der Persönlichkeit jeden Normunterworfenen
versteht[68] und im
Gegenzug von diesen erwartet, dass sie sich an die von ihm aufgestellten
Rechtsregeln halten[69]. Die Idee, bestimmte Personen ausserhalb des Rechtsraumes zu stellen,
wurde bis vor kurzem von der Bush-Regierung in den USA bezüglich der inhaftierten
Gefangenen in Geheimgefängnissen und den Häftlingen in Guantanamo vertreten und
(noch) angewendet[70]. Dabei war der Grundgedanke, Personen, die sich selbst ausserhalb des
Rechtssystems sehen und durch ihre Taten stellen, nicht die Wohltat der
Rechtsgemeinschaft zuzuerkennen. Solche Personen sollen nicht als Person iSd
Rechts behandelt werden[71].
Diese Rechtsansicht ähnelt dem Rechtsinstituts der Reichsacht bzw des
Kirchenbanns, welches im Mittelalter zur Anwendung gelangte, als der Staat bzw
die Kirche noch nicht in der Lage war, dem Recht im Reichsgebiet ausreichende
Durchsetzungskraft zu vermitteln; kurz, der Hoheitsgewalt Geltung zu
verschaffen. Eine Person, die in Acht und Bann geraten war, und die sich nicht binnen
Jahr und Tag vor Gericht verantwortet hat, wurde vogelfrei (Oberacht -
Friedlosigkeit). Jedermann konnte eine vogelfreie (bzw friedlose) Person
straflos töten oder deren Vermögen an sich nehmen[72].
Niemand durfte auch einer in Acht und Bann geratenen Person helfen[73]. Eine für vogelfrei erklärte Person konnte durch das Verlassen des
Hoheitsgebietes diesen rechtlosen Status verlieren und sich einer anderen
Rechtsordnung unterstellen. Eine allgemeine zwischenstaatliche Anerkennung von
Acht und Bann gab es nicht[74]. Im Sinne der Bush-Administration sollten solche Personen jedoch nicht
vogelfrei, aber auch keine Gefangenen im Sinnen der Genfer Konventionen
(Kriegsgefangene) und auch nicht Personen sein, die dem Strafrecht&xnbsp; bzw der Jurisdiktion der verfassungsmässigen
Gerichte der USA unterstehen[75].
Diese Idee wird seither auch als „System Guantanamo“[76]
bezeichnet. Wenn Personen ausserhalb des Schutzes des nationalen Rechts und auch des
Völkerrechts stehen aber auch nicht vogelfrei sein sollen, stellt sich
natürlich die Frage nach deren Status. Die Person als Rechtssubjekt definiert sich ua nach den nationalen
Gesetzen. So bestimmt in Liechtenstein zB § 16 ABGB, basierend auf den Gedanken
des Naturrechts seiner Zeit[77]:
„Jeder Mensch hat angeborene, schon durch
die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten“
und § 22 ABGB: „Selbst ungeborene Kinder
haben von dem Zeitpunkte ihrer Empfängnis an einen Anspruch auf den Schutz der
Gesetze“. Gemäss diesen Bestimmungen des ABGB, die sich bereits in der Urfassung
von 1812 finden, wäre eine solche Zweiteilung des Rechtssystems, zumindest im
Zivilrecht, unzulässig. Das StGB verzichtet auf jede grundsätzlich Definition, welche Personen
unter dessen Anwendung fallen und geht davon aus, dass dies alle Personen sind,
die sich im Hoheitsgebiet des Staates legal oder illegal aufhalten (vgl. §§ 62
bis 65 StGB). Für Personen, die sich selbst ausserhalb des Rechtraumes stellen,
müssten also im Sinne des „System Guatnanamo“ eigene Regelungen geschaffen
werden, um diese zur Verantwortung zu ziehen, wenn der Staat in diesem Bereich
durch seine Organe nicht völlig willkürlich handeln will. Durch die Schaffung eines eigenen Rechtsraumes mit Sondergesetzen durch
einen Staat (zumindest eines Strafrechts und Strafprozessrechts) würde aber
wiederum der Rechtsraum des Staates auf diese Personen erstreckt, womit der
ursprüngliche Sinn, diese Personen ausserhalb des nationalen Rechtsraumes zu
stellen und zu behandeln, dahin fällt. Ein Nationalstaat ist bekanntermassen nicht in der Lage anderes als
nationales Recht zu schaffen. Weder kann er alleine exterritoriales
übernationales Recht noch Völkerrecht schaffen. Auch territoriale Sondergesetze
mit eingeschränktem sachlichem, örtlichem oder persönlichem Geltungsbereich
sind nationales Recht. Nationales Recht gilt daher konsequenterweise auch auf
Flugzeugen und Schiffen etc, die unter einer bestimmten nationalen Flagge betrieben
werden (vgl. § 63 StGB). Es würde somit effektiv mit dem „System Guantanamo“ nur ein nationales
Sonderstrafrecht geschaffen, welches nach eigenen Regeln anzuwenden wäre.
Welchen Zweck dies jedoch haben soll, ausser den Verdächtigen den Rechtsschutz
des „normalen“ Strafrecht zu entziehen ist mE nicht ersichtlich. Will ein Rechtsstaat jedoch tatsächlich nur aus diesem Grund ein
Sonderstrafrecht schaffen, um Personen vor Sondergerichte zu bringen, schneller
abzuurteilen oder deren Rechtsschutz zu beschneiden, so würde der Staat sich
selbst wiederum die Existenzberechtigung als Garant eines Raums der Freiheit,
der Sicherheit und des Rechts für die Individuen, die sich innerhalb des
Hoheitsgebiets[78] aufhalten,
nehmen. Der Grundstein zum Despotismus ist dann gelegt. Zusammenfassung Selbst wenn die positiven Errungenschaften von 200 Jahren Aufklärung
und die darauf aufbauenden Gedanken der zwingenden Gewährleistung von
Menschenrechten und der Menschenwürde seit dem 19. Jahrhundert und auch die
seit zwei Jahrtausenden geltenden Gebote und Grundlagen des Christentums ausser
Betracht gelassen werden, ergibt sich, dass die Abkehr eines Staates vom
absoluten Folterverbot mit grundsätzlichen Problemen behaftet ist, die
schlussendlich dazu führt, dass der Rechtsstaat in seiner Existenz in Frage
gestellt wird. Der Staat hat, zu seiner eigenen Existenzberechtigung, den Schutz der
Normunterworfenen zu wahren und diesen die persönliche Entwicklung zu ermöglichen
und die notwendigen Freiräume zu gewährleisten. Werden Instrumente der Folter staatlich angewendet oder gebilligt, so
begibt sich der Staat dieser Existenzberechtigung, seiner Aufgaben und Verantwortung,
wird zudem in der Folge einer Verrohung der Gesellschaft Vorschub geleistet[79]
und dadurch aber kein wesentlicher Gewinn an Sicherheit erreicht. Der vermeintliche Gewinn, der durch die Lockerung des absoluten
Folterverbotes entsteht, entpuppt sich rasch zum „Pyrrhussieg“, denn „Folter kann niemals ein Instrument zur Bekämpfung
des Terrors sein, denn Folter ist selbst ein Instrument des Terrors[80].“ Die Negierung der Persönlichkeit und persönliche Rechte eines Menschen,
wenn auch nur zeitweise und unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit der
Abwehr einer konkret drohenden Gefahr gesehen durch staatliche Massnahmen,
berührt daher die Fundamente des Rechtsstaates und der Gesellschaft. Die Öffnung dieser „Büchse der Pandora“ (absolutes Folterverbot) stärkt
dabei weder den Rechtsstaat noch bringt es der Gesellschaft ein mehr an Schutz
und Sicherheit. Doch&xnbsp; gerade diese
Argumente werden von Personen, die das absolute Folterverbot lockern wollen,
als Argument für die Lockerung ins Treffen geführt. Der „linke“, deutsche Schriftsteller, Kurt Tucholsky, hat 1935 im
Hinblick auf das Unrechtsregime des Nationalsozialismus gemeint: „Sage mir
wie ein Land mit seinen schlimmsten politischen Gegnern umgeht, und ich will
dir sagen, was es für einen Kulturstandard hat“ und die Geschichte hat
bewiesen, dass die Pervertierung des Rechtsstaates ua über den Verlust der
Rechtsstaatlichkeit in kleinen Schritten erfolgen kann. Der Rechtsgelehrte und Christ, Johann Baptist Moser, hat in seinem
Rechtsgutachten zu den Vaduzer Hexenprozessen 1682 festgestellt: „Nichts ist so grausam, als den Menschen,
das Ebenbild Gottes, auf der Folter zu misshandeln und gleichsam zu zerfleischen“.[81] Papst Benedikt XVI. hat in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1.
Januar 2007 festgestellt: „Die Pflicht zur Achtung der Würde jedes
Menschen, in dessen Wesen sich das Bild des Schöpfers widerspiegelt, beinhaltet
konsequenterweise, dass man über die menschliche Person nicht nach belieben
verfügen darf.“ [82] *
Der
Verfasser dieses Beitrags ist Gerichtssachverständiger in Österreich, war zuvor
Konzipient bei einem liechtensteinischen Advokaturbüro und bis Oktober 2003
Universitätsassistent am Institut für Völkerrecht, Europarecht und
Internationale Beziehungen der Universität Innsbruck. Korrespondenzadresse E-Mail: Schaefer@BSA.name bzw Informationen im Internet unter: http://Schaefer.BSA.name und http://Gutachten.BSA.name). [1] Zitat nach Augustinus (De
civitate Dei, lib. 19. c. 6, [Von der Fehlbarkeit
der menschlichen Gerichte bei unbekanntem Tatbestand], 413-422 ndZw in 22 Büchern verfasst).
Augustinus hat im Laufe seiner religiösen Entwicklung seine Ansicht zur Folter
(leider) revidiert und gegenüber Ketzern seine ursprünglich humane Haltung
geändert. [2]
Vgl hierzu Jan Phillip Reemtsma in „Folter im Rechtsstaat“, Hamburger Edition
oder Adrienne Lochte, „Sie werden dich nicht finden. Der Fall Jakob von
Metzler“, Droemer-Knaur Verlag zum Fall Metzler. [3]
Im Mittelalter galt dies als der erster Grad der Tortur. [4] Urteil des Landgericht
Frankfurt am Main mit der AZ 27 JS 123/03 vom 20.12.2004. [5]
Diese Aufzählung erfolgte gemäss den Veröffentlichungen des Österreichischen
Rundfunks auf dessen Homepage http://oesterreich.orf.at/wien/stories/124354/.
Stand 16.9.2006. [6]
Der Menschenrechtsbeirat, zugeordnet dem Bundesministerium für Inneres, wurde
im Juli 1999 aufgrund der wiederholten Empfehlung des European Comittee for the
Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT)
gegründet. Geschäftsstelle
des Menschenrechtsbeirates, Minoritenplatz 9, 1014 Wien. [7] Marcus Omofuma verstarb am 1. Mai 1999 während der
Abschiebung in einem Flugzeug. Ihm wurde der Mund und die Nase mit
Klebestreifen verklebt. Die drei ihn begleitenden österreichischen
Polizeibeamten wurden 2002 wegen fahrlässiger Tötung unter besonders
gefährlichen Verhältnissen verurteilt (8 Monate bedingt). [8] http://www.menschenrechtsbeirat.at/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=261&Itemid=196, Stand: 16. September 2006. [9] Vgl zB Beestermöller /
Brunkhorst in „Rückkehr der Folter. Der Rechtsstaat im Zwielicht“, 2006.
Weiterer Nachweise bei Stern in „Das Staatsrecht der Bundesrepublik
Deutschland“, Bd IV/1, 2006, § 97 II 4a zum Meinungsstand in der BRD. Vgl auch
die Diskussionen über die Zulässigkeit der Tötung Unschuldiger durch den Staat,
um andere Menschen oder auch Güter zu retten – die zB durch § 14 Abs 3
deutsches Luftsicherheitsgesetz (inzwischen aufgehoben) ausgelöst wurden. [10] Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder
erniedrigende Behandlung oder Strafe. Abgeschlossen in New York am 10.
Dezember 1984. Unterzeichnet für Liechtenstein am 27. Juni 1985, in Kraft
getreten am 2. Dezember 1990, LGBl Nr 59 vom 21.9.1991 [11] Leichte
körperliche Misshandlungen, die nicht zu Verletzungen führen, Verharren in
schmerzhaften Positionen, bis zu 20-stündige Verhöre, Isolation von Gefangenen
bis zu 30 Tagen, Dunkelhaft, stundenlanges Stehen,
Elektroschocks, Scheinertränkungen, Scheinhinrichtungen, Koranschändung uam. [12] Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Inkrafttreten
für das Fürstentum Liechtenstein am 8. September 1982, LGBl 60/1 vom 6.10.1982 [13] Hierzu siehe auch das Europäisches Übereinkommen zur
Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder
Strafe. Abgeschlossen in Strassburg am 26. November 1987. Inkrafttreten
für das Fürstentum Liechtenstein: 1. Januar 1992, LGBl Nr 7 vom 27.1.1992. [14] Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Abgeschlossen
in New York am 16. Dezember 1966, Inkrafttreten für das Fürstentum
Liechtenstein: 10. März 1999, LGBl Nr 58 vom 5.3.1999. [15] Gemäss öOGH Rsp in SSt
37/54 ist die Verwendung von Lügendetektoren, Verabreichung hemmungslösender
Mittel und nach SSt 48/22, auch LSD, unzulässig. Durch § 151 StPO (§ 202 öStPO)
soll ein faires Verfahren iSd Art 6 EMRK gewährleistet werden. [16] Art 35 und 37 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes. Abgeschlossen
in New York am 20. November 1989. Inkrafttreten für das Fürstentum
Liechtenstein: 21. Januar 1996, LGBl Nr 163 vom 11.10.1996. [17] Römer
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs des Internationalen
Strafgerichtshofs, Abgeschlossen in Rom am 17. Juli 1998. Inkrafttreten für das
Fürstentum Liechtenstein: 1. Juli 2002, LGBl 90 vom 5.7.2002. Vgl auch die
Abhandlung von Lucius Caflisch
in LJZ 03/3 „Der Internationale Strafgerichtshof: Straftatbestände, Schutz der Menschenrechte,
kollektive Sicherheit,&xnbsp; 77. [18] Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen. Abgeschlossen
in Genf am 12. August 1949. Inkrafttreten für das Fürstentum Liechtenstein: 21.
März 1951, LGBl Nr 20 vom 24.2.1989, Kundmachung
im LGBl 1950 Nr 19. [19] Zusatzprotokoll zu den
Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler
bewaffneter Konflikte (Protokoll I). Angenommen in Genf am 8. Juni 1977.
Inkrafttreten für das Fürstentum Liechtenstein: 10. Februar 1990, LGBl Nr 62
vom 21.11.1989 sowie Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949
über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte
(Protokoll II). Angenommen in Genf am 8. Juni 1977. Inkrafttreten für das
Fürstentum Liechtenstein: 10. Februar 1990, LGBl Nr 63 vom 22.11.1989. [20] Hierzu siehe auch das Europäische Übereinkommen zur
Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder
Strafe. Abgeschlossen in Strassburg am 26. November 1987. Inkrafttreten
für das Fürstentum Liechtenstein: 1. Januar 1992, LGBl Nr 7 vom 27.1.1992. [21] Das
Fakultativprotokoll wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am
18. Dezember 2002 verabschiedet. In
Kraft getreten am 22. Juni 2006. Der Liechtensteinische Landtag hat diesem
Zusatzprotokoll am 21.9.2006 zugestimmt. [22] Verfassung des
Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1921, LGBl Nr 15 vom 24.10.1921 idF LGBl 2003 Nr 186. [23]
Vgl Adolf Kimmel in „Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten4“, Beck
dtv. Ebenfalls mE nunmehr sehr gut geregelt in Art 10 bzw 25 der Bundesverfassung
der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999. [24] Vgl hierzu exemplarisch
als verfassungsrechtliches Verbot Art 104 Abs 1 Z 2 iVm Art 1 Abs 1 GG. [25] §
281 Abs 1 Z 2 und 3 öStPO. [26] Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder
erniedrigende Behandlung oder Strafe. Abgeschlossen in New York am 10.
Dezember 1984. Inkrafttreten für das Fürstentum Liechtenstein: 2. Dezember
1990, LGBl Nr 59 vom 21.9.1991 [27]
EGMR in Fall Jalloh vs Deutschland, Urteil vom 11.7.2006, ApplNr 54810/00. [28] Vgl Art 1 iVm Art 3 Abs
1 des Gesetzes vom 22. September
1966 über die Amtshaftung, LGBl 24 vom
14.11.1966. [29] Vgl Art 95 Abs 1 der
Verordnung vom 22. August 2000 über den Dienstbetrieb und die Organisation der
Landespolizei (PolDVO), LGBl Nr 195 vom 30.10.2000. [30] Zur Geschichte des
Folterverbotes siehe Richter in „Die
Geschichte der Folter und Hinrichtungen“, 2001 sowie Karl Joseph Anton
Mittermaier in „Die Todesstrafe nach dem Ergebnis der wissenschaftlichen
Forschung, der Fortschritte der Gesetzgebung und der Erfahrung“ (1862). [31] Siehe Karl Joseph Anton
Mittermaier in „Die Todesstrafe nach dem Ergebnis der wissenschaftlichen
Forschung, der Fortschritte der Gesetzgebung und der Erfahrung“ (1862). [32] Vgl zB die Bulle Ad
extirpanda von Papst Innozenz IV. (*1195-†7.12.1254) aus dem Jahr 1252. [33] *3.1.106 v.d.Zw.-†7.12.43
v.d.Zw. [34] Karl V., Constitutio
Criminalis Carolina. Für das Deutsche Reich auf dem Reichstag zu Regensburg am
27. Juli 1532 beschlossen. Galt nur subsidiär zu den althergebrachten
Gebräuchen („Salvatorische Klausel“), praktisch aber allgemein im H.R.R.D.N,
Holland, Schweiz, Polen und Österreich bzw wohl auch in Liechtenstein. [35] Bereits seit ca. 750
n.d.Zw. wurde versucht Gottesurteile zu verbieten. So verbot Kaiser Ludwig dem
Frommen 818 das Iudicium Crucis und auch Papst Stephan V. (885-891) verbot
(erfolglos) die Gottesurteile per Dekret als nicht taugliche Grundlage zur
Urteilsfindung. [36] Die Hexerei, deren
Existenz die Synode von Pavia 850 bestätigt und dafür die Strafen festgelegt
hat, fällt noch nicht unter den Begriff Aberglauben. Auch das am 31. Dezember
1768 publizierte einheitliche österreichisches Straf- und Strafprozessrecht,
„Constitutio Criminalis Theresiana“ enthielt noch Straftatbeständen über die
Hexerei. [37]
Siehe Vogt,
„Lokalisierungs-Bericht von Hofrat Georg Hauer aus dem Jahr 1808“, in JBL 1983,
129, 11.tens und Elisabeth Berger in „Eine Zivilrechtsordnung für
Liechtenstein“, 34 sowie Vogt, „Verwaltungsstruktur und Verwaltungsreformen“ in
JBL 1992, 92. [38] Vgl
eine kurze Übersicht über die Abschaffung der Todesstrafe bei August Finger,
„Das Strafrecht“, Heymanns Verlag 1912, 105. Die Todesstrafe wurde mit dem
„Kriminalpatent“ vom 2.1.1795 nach dem Regierungsantritt von Franz II. für
Verbrechen des Hochverrats wieder eingeführt. [39]
Vorschriften über das Kriminalverfahren vom 17.6.1788, JGS 848/1788, § 83, S
103: „Während des Verhörs ist dem Untersuchten mit Gelassenheit und
Anständigkeit zu begegnen“. § 110 erlaubt jedoch bei einem „verstockten“
oder nachweislich lügenden Untersuchungshäftling, denselben mit Stockhieben und
Fasten bei „Wasser und Brot“ zu züchtigen. [40] Bayrisches
Publikationspatent vom 7. Oktober 1751. [41]
Eine genaue und umfassende Untersuchung über die Abschaffung der Folter und
deren temporären Wiedereinführung in den Staaten des deutschen Bundes ist dem
Verfasser jedoch nicht bekannt. [42] Neue kaiserliche -
sächsische Praxis. Darstellung und Entwicklung bzw Zusammenfassung des gesamten
materiellen Strafrechts und Strafprozessrechts Sachsens auf Grundlage der
Constitutio Criminalis Carolina von 1532 [43]
*1726-†1781,
Regierungszeit 1772 bis 1781. [44]
*1759-†1805,
Regierungszeit 1781 bis 1805. [45] Auskunft Dr. Vogt,
Liechtenstein-Archiv, vom 14.9.2006. Vgl. auch die Untersuchungen von Otto
Seger zu diesen Zeiträumen. [46]
Vgl. jedoch die Beschreibung und den Bericht von Hofrat Georg Hauer vom
28.6.1808 der „heruntergekommenen“ Zustände in der liechtensteinischen
Verwaltung zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter dem Landvogt Xaver Menzinger in
Vogt, „Verwaltungsstruktur und Verwaltungsreformen“ in JBL 1992, 132 f. [47] Vgl hierzu Karl Joseph
Anton Mittermaier in „Die Todesstrafe nach dem Ergebnis der wissenschaftlichen
Forschung, der Fortschritte der Gesetzgebung und der Erfahrung“ (1862). Darin
weisst er ua nach, dass die Todesstrafe keine abschreckende Wirkung hat. [48] Die Todesstrafe wurde
jedoch erst 1987 offiziell abgeschafft. [49] Vgl Vogt, „Lokalisierungs-Bericht von Hofrat Georg
Hauer aus dem Jahr 1808“, in JBL 1983, 71 ff. [50]
Elisabeth Berger in „Eine Zivilrechtsordnung für Liechtenstein“, 20 f. [51] Joseph II. (*13.3.1741)
verstarb am 20. Februar 1790, Leopold II. (*5.5.1747 - †1.3.1792) trat 1790 und
Franz II. (*12.2.1768 - 2.3.1835) 1792 (bis1835) die Regierung an. [52] Am 3. September 1803
wurde das „Strafgesetz über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen“, das
Grundlage des Gesetzbuches von 1852 wird und bis 31.12.1974 galt, eingeführt.
Die 1787 abgeschaffte Todesstrafe wurde im Strafrecht wieder bis 1919
institutionalisiert (siehe Hofdecret vom 29.10.1803). [53]
Diese Zwangsstrafen (zB Schiffsziehen) waren jedoch auch für die damalige Zeit
so streng, dass von einer „verlängerten Todesstrafe“ gesprochen wurde. Die
inhumane Schiffszugstrafe wurde mit dem Regierungsantritt von Leopold II. durch
Hofdekret vom 19.7.1790 abgeschafft. [54]
Einführung des überarbeiteten österreichischen Strafgesetzbuch von 1803. In
Österreich stand dieses Strafgesetzbuch bis zum 31.12.1974 mit Novellen in Geltung.
In Liechtenstein wurde es zum 1.1.1989 ausser Kraft gesetzt. [55] Zu Details über die
Verletzung des absoluten Folterverbotes siehe die jährlichen Länderberichte von
amnesty international. [56] Siehe
Wolfgang S. Heinz, „Von der Menschenrechtskommission zum Menschenrechtsrat“ in
Die Friedens-Warte, Band 81, Heft 1, 129 ff. [57] Vgl zB APuZ 36/2006 vom
4.9.2006 mit dem Thema „Folter und Rechtsstaat“. In den USA wird diese Diskussion
noch verstärkt und populistisch geführt, vgl. ua von Alan Dershowitz unter dem
Stichwort: „Ticking bomb“. Ein Szenario einer konkreten, unabwendbaren Gefahr
für viele Menschen, die angeblich nur durch die Anwendung der Folter beherrscht
werden kann. [58] Vgl
zB Winfried Brugger in „Der Staat“, 35 (1996), 67 ff „Vom unbedingten Verbot der Folter zum bedingten Recht auf Folter?“,&xnbsp; und in APuZ 36/2004,&xnbsp; 9 ff, „Einschränkung
des absoluten Folterverbots bei Rettungsfolter“?. Günther Jakobs in
„Höchstrichterliche Rechtsprechung Strafrecht 2004/3, 88ff. [59] Vgl
zB Fussnote oben Winfried Brugger in „Der Staat“ - „Ticking-bomb-Szenario“. [60]
Vgl auch § 14 Abs 3 des deutschen Luftsicherheitsgesetzes im Hinblick darauf,
ob es zulässig ist unschuldige Menschen im Gegenzug für den Schutz anderer
Menschen zu töten. Nach der Entscheidung des BVerfGH vom 15.2.2006 (NJW 2006,
751) ist die gezielte Tötung von Unbeteiligten zum Schutz anderer Personen
durch die deutsche Bundeswehr unzulässig. [61] Bislang haben 144
Staaten die UN-Folterkonvention ratifiziert und 74 die Konvention unterzeichnet
(Stand 13. März 2007, Quelle: UN-Homepage). Bis
August 2006 haben sich 88 Staaten zur kompletten Abschaffung der Todesstrafe
durchgerungen und weitere 41 dazu, diese nicht mehr anzuwenden. Somit hat sich
die überwiegende Mehrheit der Staaten, 129 von 193, von dieser Form der Strafe
abgewendet. Quelle: aiinfo, September 2006, 9. [62]
Physische Gewalt ieS und psychischer Zwang. [63]
Sehr wohl wird jedoch in einfachen Gesetzen, zB im Strafrecht, darauf
detailliert Bezug genommen. [64] Foltermethoden:
E. A. Rauter in „Folter in Geschichte und Gegenwart“, Eichborn Verlag 1988 oder
Robert
Zagolla, „Im Namen der Wahrheit - Folter in Deutschland vom Mittelalter bis
heute“, be.bra 2006. [65]
Bertel/Venier, Strafprozessrecht6, Rz 24. [66]
Vgl. hierzu eine historische Vorgabe in Carpzov, Practica nova (Anm. 29), qu.
127, n. 44 s, nach der ein Richter des Leipziger Schöffenstuhl im Juni 1585 zu
500 Talern Schadenersatz wegen einer rechtswidrigen Folterung nebst 12-wöchiger
Inhaftierung verurteilt wurde. Zum Vergleich: ein Handwerksmeister hatte damals
in etwa einen Jahresverdienst von 200 bis 600 Reichstalern. Der Feinsilberwert
eines Reichstalers (25,98 g) um diese Zeit entspricht heute ca 7 bis 9 EURO,
somit 500 Taler heute etwa dem Gegenwert von 3500,-- bis 4500,-- EURO bzw ca
4700,-- bis 6000,-- CHF. [67] Vgl Karl Joseph Anton
Mittermaier in „Die Todesstrafe nach dem Ergebnis der wissenschaftlichen
Forschung, der Fortschritte der Gesetzgebung und der Erfahrung“ (1862). Vgl
auch Joseph von Sonnenfels, „Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz“, Zu
dem Leitfaden des politischen Studiums, 1819. [68] Vgl
die Idee des Günther Jakobs in „Höchstrichterliche Rechtsprechung Strafrecht
2004/3, 88ff. eine Art von Bürgerstrafrecht und „Feindstrafrecht“ zu schaffen. [69]
„Es steht im Rechtsstaat kein Mensch über dem Recht und keiner ausserhalb des
Rechts“ hat der österreichische Verwaltungsgerichtshof in VwSlg NF 6035 A/1963
zum „Fall Habsburg“ ausgeführt. [70] Vgl
die, diese Rechtsansicht der Regierung verwerfende Rsp. des US-Supreme Court in
der Rs Hamdi vs Rumsfeld und Al Odah vs United States vom 28.6.2004. In diesen
Rechtsachen wurde dieser Idee eine Absage erteilt und festgestellt, dass das
US-Recht weitgehend anzuwenden ist. Vgl auch B. Schäfer in „Guantánamo-Bay“, Studien zu Grund- und Menschenrechten 9, Potsdam
2003. Das Lager in Guantanamo Bay wurde im Januar 2002 eingerichtet. [71] AaO
Jakobs, 92f. [72]
Im römischen Strafrecht war ein Mensch mit dem Rechtsstatus des „Homo sacer“
vogelfrei und durfte straffrei getötet werden. [73] Vgl den wohl
berühmtesten Fall in der Geschichte, als der deutsche König Heinrich IV. (*1050
- †1106) im Jahr 1077 im Büsserhemd in Canossa vor Papst Gregor VII. erschien,
damit der über den König verhängte Kirchenbann aufgehoben wird. Die
Reichsacht erstreckte sich seit dem Mainzer Landfrieden von 1235 gemäss Artikel
25 und 26 automatisch auch auf Personen und Städte, die Geächteten Schutz und
Hilfe boten. [74] Mit der Ausnahme der
automatischen Verhängung der weltlichen Reichsacht, wenn zuvor der Kirchenbann
ausgesprochen wurde, Jahr und Tag und sechs Wochen vergangen waren (daher Acht
und Bann). [75]
Noch im Jahr 1958 musste der US-Supreme Court den Versuch abwehren, einem
US-amerikanischen Staatsbürger die Staatsbürgerschaft nur deswegen zu
entziehen, um ihn ausserhalb des Schutzes der US-amerikanischen Verfassung zu
stellen (Rs Trop vs. Dulles). [76] vgl.
hierzu Manfred Nowak in „Das System Guantanamo“ in APuZ 36/2006, 23 ff. [77] Die Naturrechtslehre
geht von einem „übergeordneten“ Recht; von „natürlichen“ Rechts- und
Wertungsgrundsätzen aus. Die Naturrechtslehre ist neben dem Rechtspositivismus
eine der grossen Lehren, um die Frage nach Recht und Gerechtigkeit einer
Antwort zuzuführen. [78]
Der Begriff „Hoheitsgebiet“ umfasst mE jeden territorialen Bereich, in dem das
Recht eines bestimmten Staates anzuwenden ist, also auch die Enklaven, soweit
diesbezüglich keine eigenen Rechtsregeln bestehen. [79]
Vgl hierzu das Milgram-Experiment des Psychologen Jerome D. Frank 1963 und
das Stanford-Prison-Experiment von 1971. [80]
Zitat von Kofi Annan, dem siebten UN-Generalsekretär von Januar 1997 bis
Dezember 2006. Friedensnobelpreisträger (2001), Sacharow-Preisträger des
Europäischen Parlaments für die Verteidigung der Menschenrechte (2003). [81] Zitiert
nach Otto Seger; Peter Putzer in „Hexenprozesse in Liechtenstein“ und „Das
Salzburger Rechtsgutachten“ 1682, 38. Das Zitat selbst stammt von Benedikt Carpzov
in „Practica nova Imperalis Saxonica rerum criminalium“ (Anm. 29), qu. 117, n.
3: „nihilque tam crudele
inhumanum, quam hominem ad imaginem Dei conditum tormentis lacerare, quasi
excarnificare, negari nequit”. Carpzov selbst war ein Verfechter der
Folter, die er als unabdingbar für die Wahrheitsfindung sah, wenn er auch die
Zulässigkeit der Folter von strengen rechtlichen Vorgaben abhängig machte und
die voreilige Anwendung der Folter zu seiner Zeit und der damaligen Juristen
und Richter scharf kritisierte. [82]
Abgedruckt in „Wiener Blätter zur Friedensforschung“, März/1/2007, unter dem
Titel „Der Mensch – Herz des Friedens“, Seite 3, Pkt 4. Kursivstellung wie im
Original. |
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